Kinder und Bildung

Kindergrundsicherung auf den Weg bringen

Symbolbild Kinder

Es ist gut, dass sich die Regierungsparteien auf Bundesebene in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt haben, eine Kindergrundsicherung auf den Weg zu bringen – als einen Beitrag zur Bekämpfung von Kinderarmut, einen Beitrag zur Unterstützung von Familien und einen Beitrag für mehr Chancengerechtigkeit.

Kinderarmut als strukturelles Problem in einem reichen Land

Ein Blick auf die Zahlen ist für ein so reiches Land wie Deutschland nämlich beschämend: Mehr als jedes fünfte Kind wächst in Armut auf, fast 3 Millionen Kinder und 1,5 Millionen junge Erwachsene galten 2021 als armutsgefährdet und fast 2 Millionen Minderjährige bezogen im letzten Jahr Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II.

Ein Blick auf die bremischen Zahlen zeigt, warum die Einführung einer Kindergrundsicherung für uns in Bremen von so immenser Bedeutung ist: Die Armutsgefährdungsquote von Kindern beträgt bei uns 40 Prozent, bei Familien mit mehr als zwei Kindern liegt sie sogar über 60 Prozent, und gut 30 Prozent der Kinder in der Stadt Bremen beziehen derzeit Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch II. Mit diesen Zahlen steht Bremen aber nicht alleine dar. In Städten wie Essen, Duisburg, Gelsenkirchen, Dortmund oder auch Wilhelmshaven ist es nicht anders.

Das zeigt: Kinder- und Jugendarmut ist ein strukturelles Problem, ein Problem, dessen Schärfe in der Republik zudem sehr ungleich verteilt ist. Es trifft vor allem die Ballungsräume, die aufgrund von Strukturwandel und Arbeitslosigkeit ohnehin besondere Herausforderungen haben.

Kinderarmut hat weitreichende Folgen, die bekämpft werden müssen

Kinderarmut führt zu sozialer Spaltung, Kinderarmut schränkt Teilhabe ein und reduziert Bildungschancen, Kinderarmut hat negative Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg junger Menschen. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen; denn wir können es uns nicht leisten, große Teile unserer jungen Generation einfach zurückzulassen. Wir sind jedem einzelnen Kind schuldig, dass es nicht in Armut aufwächst. Deswegen ist es so dringlich, nun mit der Einführung der Kindergrundsicherung unsere sozialen Unterstützungssysteme neu aufzustellen.

Mehr als Bürokratieabbau und Digitalisierung

Denn wir müssen uns eingestehen, dass die derzeitigen Regelungen zahlreiche Unzulänglichkeiten aufweisen. Sie sind zu bürokratisch, sie sind zu komplex, sie sind nicht zielgenau. Und sie sind häufig so gestrickt, dass sie die Menschen eher abschrecken, ihnen zustehende Leistungen in Anspruch zu nehmen. Deshalb muss es bei einer Reform um mehr als Digitalisierung oder Verwaltungsmodernisierung gehen. Wer den Änderungsbedarf auf diese Aspekte reduziert, der blendet die wirkliche Dimension des Problems aus.

Bremen handelt

Wir in Bremen sind aktiv geworden, dort, wo wir können: durch den Ausbau der Kinderbetreuung – gerade auch in Stadtteilen mit besonderen Problemlagen, durch die Einführung der Freikarte, durch das Angebot des kostenlosen Mittagessens für Kinder aus bedürftigen Familien oder durch zahlreiche soziale Angebote im Quartier. Aber all diese Maßnahmen bleiben ohne eine grundlegende Reform der Unterstützungsleistungen für Kinder und ihre Familien nur Stückwerk. Sie gehen mit den Folgen der Armut um, ohne die eigentliche Ursache, nämlich die Einkommensarmut der Familien, anzugehen.

Eine Kindergrundsicherung gibt es nicht zum Nulltarif

Unser Blick geht hierbei ganz klar nach Berlin. Das Bundesfamilienministerium hat einen Aufschlag für konkrete Eckpunkte einer wirksamen Kindergrundsicherung vorgelegt, doch das Bundesfinanzministerium blockiert die nächsten Schritte und verwehrt Millionen von Kindern und Jugendlichen im Moment eine deutliche Verbesserung ihrer Lebenssituation – in meinen Augen unverantwortlich.

Eine grundlegende Reform wird Bund und Länder selbstverständlich etwas kosten, denn eine wirksame Kindergrundsicherung ist nicht zum Nulltarif zu haben – das muss auch die FDP endlich verstehen! Es ist allerhöchste Zeit, den Vereinbarungen und Worten nun endlich Taten folgen zu lassen. Es ist an der Zeit, die Kinderarmut entschieden und entschlossen anzugehen. Hier erwarte ich eine stärkere sozialdemokratische Handschrift in der Bundesregierung!

Bremen macht sich weiter stark

Bisher gab es im Bundesrat leider keine Mehrheit für die Einführung einer Kindergrundsicherung, doch eins kann ich versprechen: Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten weiter dafür kämpfen – für die Zukunft aller Kinder in unserem Land!

Foto: Adobe Stock 211993246

Autor*in

Andreas Bovenschulte ist seit August 2019 unser Bremer Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen. Im Juni zuvor war er zum Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bürgerschaftsfraktion gewählt worden. Von 2014 bis 2019 war er Bürgermeister in Weyhe. Andreas Bovenschulte ist seit 1984 Mitglied der SPD und seit über 30 Jahren Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Von Juni 2010 bis Dezember 2013 war er Vorsitzender der SPD LAND BREMEN. Für uns schreibt er hier vor allem zu den Themen Wirtschaft und gute Arbeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert