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Die Kindergrundsicherung muss weiterentwickelt werden

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Am 27. September 2023 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung nach langen internen Verhandlungen beschlossen. Er muss noch von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.

Was ist die Kindergrundsicherung?

Das Konzept für eine Kindergrundsicherung wurde bereits im Jahr 2009 von einem Bündnis von Sozialorganisationen wie z. B. der AWO vorgestellt. Es hat das Ziel, die unterschiedlichen Leistungen für Kinder zu einer Leistung zusammenzufassen, um für alle Kinder Teilhabe zu ermöglichen. Bisher waren die Leistungen unübersichtlich, mit der Folge, dass viele Familien sie nicht beantragt haben. Sie waren ungerecht, weil vom steuerlichen Kinderfreibetrag Gutverdienende mehr profitierten. Sie hatten eine unterschiedliche Höhe und teilweise komplizierte Anspruchsvoraussetzungen. Das Bündnis schlägt eine Leistung von 746 Euro vor, die mit zunehmendem Einkommen auf 354 Euro abgeschmolzen werden soll. Diesem Vorschlag ist die Bundesregierung nicht gefolgt.

Was schlägt die Bundesregierung vor?

Die Bundesregierung will die bisherigen Leistungen Kindergeld und Kinderzuschlag mit den Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und XII (Bürgergeld) ab 2025 zu einer Leistung zusammenführen. Sie besteht aus einem einkommensunabhängigen Grundbetrag, der dem bisherigen Kindergeld (ca. 250 Euro) entspricht, sowie einem Zusatzbetrag, der sich am bisherigen Kinderzuschlag orientiert (ca. 235 bis 350 Euro). Teile des bisherigen Bildungs- und Teilhabepakets werden ebenfalls einbezogen. Damit sollen 5,6 Mio. Kinder und Jugendliche erreicht werden. Die Leistung soll von der Bundesagentur für Arbeit kommen und kann digital beantragt werden. Im zweiten Schritt soll die Agentur proaktiv alle Anspruchsberechtigten informieren. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Kinder, die einen Anspruch auf Unterstützung haben, sie auch tatsächlich bekommen.

Warum ist die Kindergrundsicherung aus Sicht der SPD so wichtig?

Die SPD hat den Mindestlohn durchgesetzt. Erwerbstätige Alleinstehende oder Paare können damit vom Bürgergeld unabhängig werden – aber nicht Familien mit Kindern. Daher müssen die Bedarfe von Kindern ebenfalls abgesichert werden. Die Kombination von Mindestlohn, Kindergrundsicherung und ausreichenden Sozialleistungen kann Armut deutlich verringern und Chancen eröffnen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Leistungen ausreichen und alle erreicht werden.

Wäre es nicht besser, das Geld in Kindergärten und Schulen zu investieren?

Beide Wege müssen gegangen werden: gute Angebote der frühkindlichen und schulischen Bildung, aber auch eine ausreichende finanzielle Absicherung. Dazu verpflichtet uns auch das Grundgesetz mit dem Sozialstaatsgebot, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat. Geldleistungen sind für die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen wichtig. Denn mit leerem Magen lässt sich schwer lernen.

Wie ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung einzuschätzen?

Er ist der erste, wenn auch kleine Schritt in die richtige Richtung. Positiv ist die Vereinfachung der Antragstellung mit dem Ziel, alle automatisch zu informieren. Richtig ist auch, dass der Zusatzbetrag einkommensabhängig ist. Allerdings sind nicht alle Leistungen einbezogen, und die steuerliche Ungerechtigkeit ist nicht beseitigt. Sozialverbände kritisieren u. a., dass die Kinder im Asylbewerberleistungsgesetz nicht umfasst sind. Die Bedarfe der Kinder werden insgesamt nicht neu berechnet, die bisherigen Unzulänglichkeiten werden fortgeschrieben. Letztlich werden, um die engen Vorgaben des Bundesfinanzministers zu erreichen, die Leistungen nicht erhöht.

Was ist zu tun?

Einige Unzulänglichkeiten können vielleicht im parlamentarischen Verfahren noch beseitigt werden. Aber wir werden uns gemeinsam mit den Sozialverbänden weiterhin für eine Kindergrundsicherung einsetzen müssen, die diesen Namen verdient: mit einem ausreichenden Leistungsniveau auf neu berechneter Grundlage für alle Kinder, mit einer Einbeziehung weiterer Leistungen und für eine gerechte steuerliche Regelung. Wir werden darauf achten, dass die angekündigte Digitalisierung und Automatisierung des Antragsverfahrens auch tatsächlich erfolgt und dazu führt, dass alle die Leistungen erhalten. Darüber hinaus bleibt der Ausbau der Infrastruktur für Kinder und Jugendliche auf der Tagesordnung. Nur so können wir für gerechte Bedingungen für Familien sorgen.

Foto: Adobe Stock 651372199/sderbane

Autor*in

Dr. Karl Bronke (70) ist Jurist und Sozialwissenschaftler, hat an der Uni Bremen studiert, promoviert und gearbeitet. Er war von 1990-2016 Abteilungsleiter in der Bremer Sozialbehörde. Seit 50 Jahren ist er in der Bremer SPD aktiv, aktuell im geschäftsführenden Landesvorstand. Daneben hat er ehrenamtlich eine Stadtteilstiftung geführt, die Bremer Demokratie-Initiative und den Weser Bildungsverbund gegründet, ist im Vorstand der Demenz-Beratungsstelle sowie Vorsitzender des Verwaltungsrats der Verbraucherzentrale. In der Freizeit fährt er gern Rad, singt in einem kleinen Chor und kümmert sich um seine Enkeltochter.

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