Allgemein Wirtschaft und Arbeit

Der 1. Mai 1890 in Bremen: Mehr Gerechtigkeit kommt nicht von allein

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„Der Lenz treibt mächtig junges Grün – noch wenige Tage und wir haben wieder den 1. Mai, den Festtag des Proletariats aller Länder“, heißt es 1896 in einem Aufruf, der vermutlich von Bremer Tischlern verfasst wurde. Die Tischler waren es, die sich am entschiedensten in der noch jungen Bremer Arbeiterbewegung für einen Feier- und Kampftag einsetzten. 6 Jahre zuvor, am 7. Januar 1890, befassten sich Bremer Arbeiterinnen und Arbeiter zum ersten Mal im Versammlungslokal des Casino in der Straße „Auf den Häfen”, wie der 1. Mai zum Demonstrations- und Feiertag werden könnte. Immerhin 600 Menschen unterstützten auf dieser von der Polizei beobachteten Versammlung mit Leidenschaft und Interesse die Botschaften des Gründungskongresses der II. Internationale 1889 in Paris.

Wie alles anfing

Die Delegierten der II. Internationale riefen die Arbeiterinnen und Arbeiter überall in der ganzen Welt an einem bestimmten Tag zu einer gemeinsamen Demonstration auf.  Der 1. Mai sollte es sein. 1886 hatten zuvor amerikanische Arbeiter in Chicago für bessere Arbeitsbedingungen und den Achtstundentag gestreikt.

Worum ging es? Verbindende Forderungen waren: Verbot der Kinderarbeit – Arbeitsschutz in jedem Gewerk – Verbot der Nachtarbeit für Frauen – Bessere Löhne. Im Zentrum aller Forderungen stand der Achtstundentag!

Welche Form die Demonstrationen annehmen sollten, wurde auf dem Kongress in Paris offengelassen. In dem Beschluss heißt es: „Die Arbeiter der verschiedenen Nationen haben die Kundgebungen in der Art und Weise, wie es ihnen durch die Verhältnisse ihres Landes vorgeschrieben wird, ins Werk zu setzen.“ Übersetzt hieß dies: Der 1. Mai ist zur Kaiserzeit weder im Reich und auch im eher spät industrialisierten Bremen noch längst kein Feiertag. Es war klar, dass der Staat, die Polizei, das Bürgertum und die Unternehmer nicht tatenlos zusehen würden. Es gab Demonstrationsverbote und Bestrafungen. Es musste in den meisten Betrieben gearbeitet werden. Die Bremer Tischler blieben erst mal allein. Die Tischlergesellen trafen sich aber demonstrativ zu einer öffentlichen Versammlung während der Arbeitszeit in ihrem Versammlungslokal „Auf den Häfen”. Am Nachmittag zeigten sie ihre Entschlossenheit und ihren Mut mit einem Spaziergang am Bürgerpark.

Wie verhielt sich die Bremer SPD?

Die SPD in Bremen unterstützte von Anfang an die Forderungen der II. Internationale, zumal Julius Bruhns als Delegierter in Paris daran teilgenommen hatte. Julius Bruhns aus dem Stadtteil Buntentor war der erste sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete aus Bremen. Er wurde 1890 in den Reichstag gewählt. Das Bremer Bürgertum war überrascht und ärgerte sich. Ein großartiger Erfolg für die junge Bremer Arbeiterbewegung. Als gelernter Zigarrenmacher war er gleichzeitig für die Gewerkschaft der Tabakarbeiter aktiv. Bruhns – reichsweit gehörte er dem linken Flügel der SPD an – war der Auffassung, zunächst müsse der 1. Mai am Abend und ohne Arbeitsniederlegungen stattfinden. Er befürchtete harte Auseinandersetzungen mit der Polizei und den Bremer Unternehmern. 1897 war es dann soweit. Die Arbeiterbewegung war – nicht zuletzt durch die zunehmende Industrialisierung – jetzt stark genug, die Arbeitsruhe in den Betrieben durchzusetzen. Die Bremer SPD rief dazu auf, den 1. Mai als Feiertag zu begehen und zu demonstrieren. Erst waren es noch Spaziergänge, so wie die Tischler es vorgemacht hatten. Aus Spaziergängen wurden Demonstrationen und Kundgebungen für Frieden und Völkerverständigung und gegen den Krieg. 1919 nach der Novemberrevolution wurde der 1. Mai gesetzlicher Feiertag. Allerdings nur in diesem Jahr. Nach 1945 haben die Bundesländer den 1. Mai als gesetzlichen Feiertag anerkannt.

Heute, gut 130 Jahre später, ist der 1. Mai aktueller denn je. Es geht nach wie vor um mehr Gerechtigkeit, um bessere Löhne vor allem für Frauen, es geht um die Bekämpfung von Armut und Hunger. Es geht mehr denn je um Frieden und Völkerverständigung.

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