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Warum der Bäcker jetzt Hilfe braucht

Bäcker in der Bäckerei mit Brot

Es kann mittlerweile keinen ernsthaften Zweifel mehr geben. Was im Juni als Gas-Krise begann, als Putin die Gas-Lieferung durch Nordstream 1 drastisch reduzierte und so die Angst vor einem kalten Winter nach Europa brachte, das hat sich mittlerweile zu einer echten Energiepreis-Krise ausgeweitet. Gas und Strom sind zwar vorhanden, aber so teuer, dass die Energiekosten die gesamte deutsche und europäische Wirtschaft bedrohen. Und das nicht erst im bevorstehenden Winter, sondern jetzt: sofort.

„Ich war voller Optimismus – und dann kam die Gas-Krise“

Es ist schon ein paar Wochen her, dass mich ein Bäckermeister aus Bremen angeschrieben hat. Er habe die Finanzkrise überstanden, die Corona-Pandemie und sei im Frühjahr noch voller Optimismus gewesen, demnächst einen kerngesunden Betrieb an seinen Sohn übergeben zu können – bis die Preise für Gas, Strom und Öl plötzlich ungezügelt durch die Decke schossen. Im Moment wisse er nicht mehr, wie es für ihn und seinen Sohn weitergehe, einen Mitarbeiter habe er schon entlassen müssen. Trotz tadelloser Arbeit.

Angst vor der nächsten Strom- und Gas-Rechnung

Mit dieser Sorge ist er nicht allein. Ganz viele wissen schlicht nicht mehr, wie sie die Strom-, Gas- oder Ölrechnung demnächst bezahlen sollen. In erster Linie betrifft das Menschen mit kleinen Einkommen, die schon jetzt jeden Euro zwei-, wenn nicht sogar dreimal umdrehen müssen. Die schlicht nicht mehr wissen, wie sie die Mehrkosten stemmen können. Aber zunehmend trifft es auch Familien, Paare und Alleinstehende, die bislang zwar nicht auf Rosen gebettet waren, aber gut über die Runden kamen. Denen angesichts der Energiepreise mittlerweile angst und bange wird.

In einem halben Jahr bleibt der Ofen kalt

Darunter zunehmend auch Handwerksbetriebe und Unternehmer. Wie der Bäcker an der Ecke, der den Ofen für Brötchen und Butterkuchen heiß und die Kühlschränke für die Teiglinge und viele Zutaten kalt halten muss. Die Ware ist begehrt, die Qualität einwandfrei, die Menschen haben auch Appetit auf die Sonntagsbrötchen und schätzen das Stück Kuchen am Nachmittag – wenn das alles nur nicht so teuer wäre. Der Bäcker aber muss mehr, immer mehr für Energie zahlen – die gestiegenen Preise für Mehl on top –  und die Brötchen deshalb teurer machen. Die Kunden kaufen weniger ein, der Bäcker macht weniger Umsatz und die Brötchen noch einmal teurer. Die Kunden kaufen noch weniger – und so nimmt die die Abwärtsspirale immer weiter Fahrt auf. Am Ende kämpft der Betrieb um die Existenz. Der Bäckermeister, der mich angeschrieben hat, bekannte vor kurzem: Er halte nur noch ein halbes Jahr durch.

Es ist an der Zeit, die Abwärtsspirale zu durchbrechen

So wie dem Bäckermeister geht es vielen Handwerkern und Unternehmern. Sie können die Energiepreise einfach nicht mehr stemmen. Auch sie brauchen deshalb Hilfe vom Staat, damit teurer Strom und Gas den Unternehmen nicht die Luft zum Atmen nehmen. Alles andere riskiert Arbeitsplätze!

1. Energiepreisdeckel auch für kleine und mittlere Unternehmen

Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung sich auf einen Strom-Deckel verständigt hat und einen Gas-Deckel prüfen will. Aber wir brauchen jetzt schnell Ergebnisse nicht nur für Privathaushalte, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen, für Selbstständige und für Handwerksbetriebe. Wie viel Strom und Gas welcher Betrieb zu welchem Preis genau bekäme – das sollte mit den Verbänden verhandelt werden. Mein Ziel wäre: keine existenzielle Bedrohung für die Betriebe – aber trotzdem ein Anreiz zum sparsamen Umgang mit Energie.

2. Pragmatische Lösung, die schnell hilft

Die Differenz zum aktuellen Marktpreis muss der Staat natürlich ausgleichen – und zwar den Erzeugern der Energie. Für den Staat hat das einen entscheidenden Vorteil: Er muss nicht mit vielen hunderttausend Betrieben abrechnen, die kurz vor der Pleite stehen und dringend Unterstützung brauchen, sondern nur mit einer überschaubaren Zahl von Energie-Händlern oder Produzenten. Beim Strom ist das schon beschlossen, ich kann mir das auch für Gas vorstellen.

3. Übergewinne abschöpfen

Angenehmer Nebeneffekt: Einigen Firmen wird man nicht die volle Differenz zum Marktpreis erstatten, sondern nur einen Teil davon. Und auf diesem Wege die Übergewinne zum Teil abschöpfen. Auch wenn die Bundesregierung mit Rücksicht auf die FDP nicht von Über-, sondern von Zufallsgewinnen spricht. Für die Produzenten wäre das immer noch ein Riesen-Geschäft, denn auch die Rest-Rendite wäre so hoch wie noch nie. Aber der Staat kann so zumindest einen Teil der Milliarden-Kosten des Energiepreisdeckels refinanzieren. Auch hier ist für mich klar: Was bei Strom funktioniert, funktioniert auch an anderer Stelle. Wir müssen an die Übergewinne ran, um die Hilfen für die Menschen und die Betriebe bezahlen zu können.

Wir müssen jetzt handeln – schnell und effektiv

Angesichts der Energiepreise haben wir nicht die Wahl, ob wir handeln. Wir haben nur noch die Entscheidung, wie wir handeln. Denn die Unternehmen sind durchaus bereit, sich auf eine umweltschonende und energiearme Produktion umzustellen. Aber sie müssen auch die Zeit dafür bekommen. Wenn ihnen auf diesem Weg die Puste ausgeht, gefährdet das nicht nur hunderttausende von Arbeitsplätzen, sondern auch die Zukunft einer umweltschonenden Produktion in der Zukunft. Deshalb muss der Energiepreisdeckel auch für Handwerker und Selbstständige, für kleine und mittlere Unternehmen jetzt schnell kommen.

Foto: AdobeStock / 100575082

Autor*in

Andreas Bovenschulte ist seit August 2019 unser Bremer Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen. Im Juni zuvor war er zum Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bürgerschaftsfraktion gewählt worden. Von 2014 bis 2019 war er Bürgermeister in Weyhe. Andreas Bovenschulte ist seit 1984 Mitglied der SPD und seit über 30 Jahren Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Von Juni 2010 bis Dezember 2013 war er Vorsitzender der SPD LAND BREMEN. Für uns schreibt er hier vor allem zu den Themen Wirtschaft und gute Arbeit.

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