Vor über zehn Jahren wurde die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, unterzeichnet. Leider sind körperliche und seelische Verletzungen von Mädchen und Frauen noch immer allgegenwärtig, auf der Straße, im Netz und in Familien. Auch bei uns in Deutschland wird jede vierte Frau mindestens einmal im Leben Opfer physischer und/oder sexualisierter Gewalt. In etwa der Hälfte der Fälle ist der eigene Partner für diese Taten verantwortlich. Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch ihren derzeitigen oder vorherigen Partner.
Gewalt gegen Frauen findet oft hinter verschlossenen Türen im eigenen Zuhause statt. Die Corona-Pandemie wirkte hier wie ein Brennglas, da der Stresspegel in vielen Familien und Beziehungen enorm anstieg. Die Zunahme können wir auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik erkennen, wo die Anzahl der weiblichen Opfer im Land Bremen von 1.835 vor Corona (2019) auf 2.232 im Jahr 2021 gestiegen ist.
Die aktuelle Bundeskriminalamt-(BKA) Statistik für das Jahr 2021 zu Partnerschaftsgewalt zeichnet ein ähnliches Bild. Zwar ist die Anzahl der Opfer 2021 im Vergleich zum vorherigen Jahr gesunken, in den vergangenen fünf Jahren sind die Opferzahlen aber dennoch um insgesamt 3,4 Prozent gestiegen. Täterzahlen werden vor allem von männlichen Personen dominiert, wohingegen die Opfer überwiegend durch weibliche Personen gekennzeichnet sind.
Allerdings muss hierbei bedacht werden, dass dies nur die bekannten Fälle sind. Das Dunkelfeld in diesem Bereich wird vermutlich sehr hoch sein, was die Situation noch unerträglicher macht. Umso wichtiger ist es auch, dass wir diesen Bereich immer im Blick behalten und dabei helfen, so schnell wie möglich Gewaltspiralen im häuslichen Umfeld zu unterbrechen. Nur wenn wir alle wachsam sind, können wir früher schützend eingreifen und Frauen und ihren Kindern viel Leid ersparen. Dies gilt nicht nur an diesem besonderen Tag, sondern auch an allen anderen 364 Tagen des Jahres. Weitere Dunkelfeldstudien sind hierfür auch unerlässlich.
Wir müssen Gewalt gegen Frauen noch klarer als solche benennen und noch besser erfassen, um sie wirksam bekämpfen zu können. Es darf keinerlei Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen geben. Die Täter müssen mit aller Härte verfolgt werden.
Mir ist es auch wichtig zu betonen, dass Gewalt eben nicht ausschließlich eine körperliche Dimension hat. Sexistische und frauenverachtende Kommentare, Cyberstalking oder heimliche Aufnahmen, die online verbreitet werden, sind täglich für viele im Netz sichtbar. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Internet zum Angstraum für Frauen verkommt. Insoweit ist es ein großer Fortschritt, dass Drohungen und Beleidigungen im Netz von den Anbietern sozialer Netzwerke dem BKA gemeldet werden!
Mein Ziel ist ganz klar, wir müssen aufmerksam sein und handeln – solange, bis ein gewaltfreies Leben für Mädchen und Frauen zur Selbstverständlichkeit wird. Dafür bedarf es eines Dreiklangs aus Aufklärung, Beratung und Hilfe.
Ein weiterer wichtiger Schritt hierbei ist die unabhängige Beratungsstelle zu geschlechterspezifischer Gewalt am Deutschen Institut für Menschenrechte, die zum 1. November 2022 eingerichtet wurde. Hier kann weiter eine breite und belastbare Datengrundlage geschaffen sowie weitere konkrete Punkte aufgezeigt werden, wo bei der Verhütung und Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt gehandelt werden muss. Auf den ersten Bericht 2024 warte ich gespannt.
Wenn auch Sie Unterstützung brauchen:
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Hotline 08000 116 016, die bundesweit rund um die Uhr erreichbar ist, werden auch Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte anonym und kostenfrei beraten. Mehr Informationen auch unter www.hilfetelefon.de.
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